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Was uns der Neumarkter Schultheiß Wildensteiner auf seinem Grabdenkmal in der ehemaligen Klosterkirche von Gnadenberg zu sagen hat:
Inschrift:
Anno Domini MCCCCLXVI (1466) freitag vor bartholomei
Starb der Edel streng Ritter Her(r) Merdein (Martin) von(n) Wildenstein. Stifter des Altars, dem got genad.
Das waren noch Zeiten, als dereinst mit großem Gepränge eine nordische Gesandtschaft in Neumarkt einzog und unserem jungen Herrn Pfalzgrafen Christoph die drei Kronen von Dänemark, Schweden und Norwegen zugleich anbot! Wie freudig zog er von hinnen –
So hoch die Ehre für mich war, gleichsam als sein Kanzler, an seiner Statt, der Pfalzgrafschaft zu walten: — was half es mir, daß er mir dafür den höchsten Lindwurmorden schickte, der mir da jahrhundertelang an seiner eisernen Kette an der Brust herunterhing — mir schwante von Anfang an nichts Gutes bei diesem seinem unheimlichen Aufstieg! Und ob es nun erwiesen ist oder nicht: ich lasse es mir nun einmal nicht nehmen, daß unser Herr Christoph da droben im eisigen Norden vergiftet worden ist. Ist es nicht auch zu verstehen, daß sie den Eindringling aus dem Süden haßten, der nun ihre Steuern sog, wie wir einen Fremdling aus dem Norden gehaßt hätten, der uns von außen her gesetzt worden?
Denn was ging es schließlich die nordischen Völker an, daß unser großer Pfalzgraf Johann seinerzeit anno 1406 seine liebe Katharina aus Schweden holte? Konnte doch auch die arme junge Frau bei uns nicht eher heimisch werden, als bis ihr der strenge Gemahl endlich nach 20 Jahren die Gründung des Klosters hier gewährte! Doch so eifrig sie’s betrieb: erleben sollte sie es nicht mehr, wie der stolze Bau entstand und erst nachdem ihre Gebeine einstweilen in der Hofkirche zu Neumarkt bestattet waren, wurden sie dann später hier neben mir gleichsam als Grundstein eingemauert.
Und wie friedlich schläft sie nun da unten jetzt neben ihrer Nachfolgerin, der zweiten Frau Beatrix unseres Pfalzgrafen Johann. Unser hoher Herr hatte die eine so lieb wie die andre. Weiß ich doch selbst wie hart es ein Witwer hat und habe selbst meiner Lebtag vier Frauen gehabt. Die Wappen da zu meinen Füßen künden noch heute die edlen Geschlechter aus denen sie stammten: die erste von Absberg, die dritte vom Marshall von Bopfingen. Und als die auch von mir gegangen, da glaubte ich die zweite aus dem Hause Egloffstein wiederzuerwecken, als ich auch die Vierte daraus nahm. Herr gib ihnen allen die ewige Ruh! Ich habe sie mein Lebtag nit gefunden. Hatte ich doch noch in meinen alten Tagen von 1459—1463, wie seinerzeit ein Enkel unseres tapferen Schweppermann, — das Schultheißenamt von Neumarkt zu walten. Und das bedeutete damals nicht nur den Bürgermeister dieser Stadt, sondern ein Gebiet größer als ihr heutzutage „Bezirksamt = Kreis“ heißt. Erst im Karthäuser Kloster zu Nürnberg (das ihr heute „Germanisches Nationalmuseum“ nennt), fand ich endlich soweit Frieden, mich auf den seligen Tod dort und ein würdiges Grab hier vorzubereiten. Wie mein einstiger Herr Johann im Jahre 1443 im Kloster Kastl starb und nun in Neunburg vor dem Wald ruht.
Kaum aber hatten sich meine irdischen Augen geschlossen, sah ich mit meinem inneren die Herrlichkeit dieses Gotteshauses wachsen. Immer weiter wölbten sich die Hallen und mein Herz freute sich an der Vollendung. Und ein Fenster nach dem anderen füllte sich mit bunten Farben und Wallfahrt und Weihrauch nahmen kein Ende.
Bis eines Tages andere Priester kamen und unsere Nonnen prüfte und sie ins Gebet nahmen, daß sie heiraten sollten. Und ich wußte nicht wie es zuging, nach den Lutheranern kamen die Calvinisten und nach den Nonnen verschwand auch alles Bilderwerk aus der Kirche.
Immer mehr leerten sich die heiligen Hallen. Bis eines Tages wiederum die Schweden kamen. Aber nicht Psalmen singend, wie dereinst die ersten Mönche aus dem Nordland, sondern im Koller des Kriegsmannes und mit Feuerbüchsen. Was wollten sie von uns? Uns heimzahlen? Wieder schwante mir nichts Gutes. Zwar versprachen sie zuerst Schutz und Schonung, dieweil ja unser Kloster dereinst ein Setzling von ihrem Stamme sei gewesen.
Als aber doch einmal ein Schuß fiel — wer weiß woher? —da setzten sie uns den Hahn aufs Dach und die Gewölbe barsten. Und dann kamen die Kerle doch hier herein und raubten und plünderten, was ihnen die bilderstürmenden Priester übriggelassen hatten. Und dann kam des Entsetzliche, und ich mußte wehrlos mit ansehen, wie mir so ein schwedischer Räuber das Kleinod meines Lindwurmordens, das jahrhundertelang hier an einem Ring hing, von der Brust riß und sich ins Koller steckte, was mir dereinst der König von Dänemark, Schweden und Norwegen so feierlich daran geheftet hatte!
Hab ich doch immer gewußt, daß das mit den Schweden nit gut tut. Erst nit, bei der Herrlichkeit war mir schon immer nit geheuer. Und nun hat der Drache seine Rache dafür genommen, daß man seine Heimat glaubte tauschen zu können, wie einen Königsreif.
Wieder schlummerte ich 150 Jahr. Da hörte ich eines Tages — anno 1785 — unaufhörliches hacken und hämmern, daß ich schon dachte, das Jüngste Gericht bricht an und die Tore taten sich auf und Männer mit Zopf und Dreispitzhut starren auf meine Gebeine, hoben sie behutsam aus und scharrten sie hinterm Altar beim Brüderchor — der heute vernichtet ist wieder hinein.
Und doch hatte ich auch dort keine Ruhe. Wieder fünfzig Jahre darauf, als aus dem Brüderchor das Haus am Eck gebaut wurde, wurde mein Grab abermals aufgewühlt. Nur gut daß dies mein Bild meine Gestalt besser bewahrte! Wenn auch nur wenige mich heute noch beachten. Nur manchmal streichelt mich ein ehrfürchtiger Blick irgend eines Wanderers und versöhnt mich dann mit meinem Schicksal, hier in den roten Marmorstein gebannt zu sein und nicht herauszukönnen!
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